MbP 21 – Misfits, Metallica und Udo Lindenberg

Schlagworte: Kill Your Darling, Projekte, Lösungen, Zeitinvestition, Schwierigkeit, Leidenschaft, Flexibilität, kritische Selbstreflexion, Geschäftsmodelle

In dieser Folge von „Management by Projects“ diskutieren wir das Thema „Kill Your Darling“. Wir betonen die Schwierigkeit, sich von Projekten oder Lösungen zu lösen, an denen man bereits viel Zeit investiert hat. Wir teilen unsere eigenen Erfahrungen mit und betonen die Bedeutung, Lösungen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls loszulassen. Wir sprechen über die Bedeutung von Leidenschaft, Flexibilität und kritischem Selbstreflexion. Abschließend betonen wir die Wichtigkeit des „Kill your Darling“-Prinzips bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen.

Transcript

Mel:
[0:00] Moin Fabian! 

Vorstellung der heutigen Folge und Musikreferenzen

Fabian:
[0:01] Salih Melvin! 

Mel:
[0:02] Management by Projects Ausgabe Nummer 21 und wenn wir ein Musik-Podcast wären, dann würde es heute wahlweise um die Misfits oder um Metallica gehen. 
Die haben ja diesen Song Die Die Die My Darling gemacht und genau das ist das Thema der heutigen Folge, die wir uns ausgesucht haben. 
Es geht um Kill Your Darling und was es genau damit auf sich hat und vielleicht auch was die Zusammenhänge zu Misfits und Metallica sind, wird Fabian uns jetzt erklären. 

Fabian:
[0:29] Also ich muss da zuerst mal sagen, yeah baby! 
Auch schon mal Metal gehört, nicht exklusiv, aber durchaus zugänglich. Sehr geile Einführung. 

Kill Your Darling – Ein spezifisches Thema im Arbeitsleben

[0:43] Kill Your Darling ist, glaube ich, ein sehr spezifisches Thema herausgenommen, aber ich bin sicher, jeder von euch wird irgendwann mal im Arbeitsleben, im Kleinen zumindest, zumindest, vielleicht nicht in ganz grossen solchen Situationen haben. 
Und ich fange mal mit der grossen Story an. 
Man sagt ja, ein Unternehmer, ein Startup-Gründer, es ist nie das Erste, oder? 
Und dort ist es vielleicht ein bisschen einfacher beim gescheiterten Startup, weil der Markt tut es oder der Investor, der killt dann dein Darling. 
Aber es ist insofern wirklich richtig, weil ich glaube, es gibt keiner, der richtig Startuping versucht und dann nicht richtig Schmerzen hat, wenn er es tut oder wenn es stirbt. 
Ich habe da einen sehr guten Freund von mir, der ist effektiv in diesem Bereich eher unterwegs und hat mir mal gesagt, dass es mehrmals nicht funktioniert hat und dann ist so ein Projekt dann gescheitert. 

Emotionale Erholung nach einem halben Jahr

[1:51] Ich habe ein halbes Jahr gehabt, bis ich mich da emotionell erholt habe. 
Ich bin jetzt gerade auf die emotionelle Ebene gegangen. 
Der Sinnaspekt davon ist auf jeden Fall gegeben, weil diese Dinge passieren. 
Und manchmal kann man das auch sehr bewusst machen. Ich glaube, die hohe Kunst ist, bewusst zu wissen, wann musst du auch etwas, was dir im Herzen liegt, loslassen und da rausgehen und so weiter. 

Mel:
[2:19] Ich bin immer noch am grinsen, weil du gesagt hast, dass ein Freund von dir aus dem Bereich Kill your Darling kommt, das ist ja Berufskiller oder was kennst du für Leute. 

Hinterfragung der eigenen Lösungsansätze

[2:31] Ja, weshalb ich das Thema total spannend finde und es mir für diese Folge auch gewünscht habe, ist ein Umstand, den bestimmt auch wirklich viele von euch schon mal beobachtet haben, man hat ein Thema, das muss gar nicht ein Projekt sein, kann auch irgendwie in was auch immer geartete Aufgabe sein und man robbt sich da so ran und man macht zuerst, Skizzen für einen Lösungsversuch und dann, hey, die sehen gar nicht so schlecht aus und dann arbeitet man weiter und dann, hey, das funktioniert ja doch irgendwie ganz gut und dann baut man da noch was dran und hier noch ein Türmchen und da noch irgendwie ein bisschen was und auf einmal ist man ja schon relativ weit und ehrlicherweise, wenn man dann noch mal einen Schritt zurückgehen würde, würde man feststellen, okay, wir haben eigentlich schon viel zu früh uns auf eine bestimmte Lösung festgelegt und dummerweise ist die auch ganz lieb und flauschig und kuschelig und man spricht sich auch mittlerweile mit Vornamen an und irgendwie ist das alles total toll, aber ist das jetzt wirklich die beste Lösung für die Aufgabe die man zu bewältigen hat? 
Und Kill Your Darling beschreibt an der halt wirklich diesen Umstand, Wie kommt man dahin, dass man wirklich bereit ist, nochmal zu hinterfragen, okay, das ist total toll, was wir hier gemacht haben, aber es ist nicht die beste Lösung für das, was wir hätten schaffen können und dann hinzugehen und zu sagen, sorry, wir haben da viel Geld und Aufwand reingesteckt und die Lösung ist wahrscheinlich auch grundsätzlich okay, aber es ist vielleicht nicht die allerbeste geeignete. 

[3:55] Das ist ein Thema, ich weiß gar nicht, wie oft ich das schon gesehen habe, dass man es nicht gemacht hat. 

Beispiele aus der eigenen Erfahrung mit mangelhaften Lösungen

[4:01] Also ich kenne wirklich viele Projekte und ich bin da auch nicht gefeilt vor gewesen, dass man einfach gesagt hat, keine Ahnung, ich hatte mal so eine Situation, da ging es um die Einführung einer Betriebsführungssoftware und ich wollte einfach auf biegen und brechen eine Open-Source-Software dafür nehmen. 
Und wir haben da keine große Evaluation gemacht, sondern wir haben mit dem Ding angefangen und gucken, das kann ja irgendwie was und haben dann da an diesem Ding rumgeschraubt für Ewigkeit und haben es dann auch eingeführt. 
Aber jetzt mit Abstand muss ich sagen, verdammt, das war eigentlich eine richtig lausige Leistung, weil es nie eine ordentliche Tool-Evaluation gab, was man sonst noch hätte machen können, sondern es war halt Open Source und du konntest ja aus dem Internet laden und hast dann daran rumgeschraubt und hast gemacht und getan und war dann halt cool so, ne? 
Hat ja auch funktioniert und hat ja auch erstmal keine Lizenz gekostet, weil war ja Open Source und Freeware noch dazu. 
Aber eigentlich, zurückblickend. Das war eins der ganz großen Glanzlichter. 

Fabian:
[4:59] Ja, und es ist ja analytisch extrem spannend, weil es kann eben beides auch wahr sein. Also man sagt ja, gerade wenn man jetzt grössere Veränderungen herbeiführen will, gibt es ja wie die Biden-Stories. 
Es gibt ja die Story, du hast viel zu lange am Falschen gearbeitet und dich nicht lösen können. 
Und da gibt es auch die Story, weil ich fünf Jahre dran geblieben bin, ist es endlich gekommen. Und mir wurde 20 Mal gesagt, es geht nicht. 
Und alle haben nicht erkannt. Und beide Storys können absolut wahr sein. 
Und deshalb ist es auch so spannend. Und ein Aspekt, der wirklich, also das Wort Darling ist da drin oder? Und das gefällt mir total, weil es eben die Leidenschaft ja dann repräsentiert. 
Also einfach da mal eine emotionelle Äußerung. Ich empfehle jedem mit Leidenschaft Dinge zu tun, weil hier kann ja genau jetzt auch der Widerspruch dann entstehen. 
Du kannst dann sagen, ja, wenn du bereit sein musst, dein Darling zu zu killen, kann mich noch nicht ganz daran gewöhnen, dann kannst du ja sagen, ja, gibst dann nicht deine, gehst du in ein distanziertes Mindset und verbindest dich nicht genug mit deinen Zielen und so weiter. 
Ich glaube, das ist überhaupt nicht die Aufforderung. Ich glaube, du… 

Flexibilität und Leidenschaft für Erfolg

[6:27] Ja, um erfolgreich zu sein oder um vorwärts zu kommen, musst du die Dinge mit Leidenschaft tun. 
Ich glaube, es ist wirklich dann sowohl als Individuum wie auch organisatorisch immer darauf zu achten, dass man die Flexibilität nicht verliert. 
Ich glaube, das ist der Punkt. Ich glaube, das ist, wenn du zu fest einrastest, zu fest dich verbeisst, zu fest, zu verkrampft wirst, in eine Richtung gehen willst. 
Manchmal ist es auch das Gefühl, ich muss es tun. 
Das ist auch nicht immer korrekt. Ich glaube, es ist dann, was passiert. 
Da kann es, glaube ich, schnelle Verwechslung geben, weil um beim Anglizismen zu sprechen, du brauchst Skin in the Game. 
Also das sagt einer, du brauchst Skin in the Game, weil wenn du es nicht, wenn du nicht ein bisschen deine Haut riskierst, dann ergehst du es wahrscheinlich nicht konsequent genug an. 
Gleichzeitig hast du dann immer auch das Risiko, dass es dich dann echt anscheisst, wenn es nicht läuft. 
Ich glaube, das ist nicht vermeidbar. Also man muss, wenn man seine Haut riskiert, muss man damit rechnen, dass da auch eine gewisse Verletzung dann geschehen kann. 

[7:43] Und Ich weiss nicht, das ist auch sehr auf der Meta-Ebene argumentiert. 
Hast du das auch schon erfahren, dass das dann auch wirklich dich länger gestört hat, dass du da etwas beenden musstest? 

Mel:
[7:58] Nein, weil ich total agil bin und im Agilen heisst es ja, dass man Changes auch in späten Projektphasen noch willkommen halten muss. 

Fabian:
[8:07] Und dass alle, die im agilen Umfeld unterwegs sind, die können das natürlich auch alle, oder? Das ist selbstverständlich. Ironie off. 

Sich auf das Wesentliche konzentrieren und Effektivität fördern

Mel:
[8:15] Genau, ironie off. Nein, das ist natürlich so. Wir haben ja in der letzten Folge darüber gesprochen, dieses vom Ergebnis her Denken. Und das ist tatsächlich etwas, was ich versuche, so ein Stück weit auch zu trainieren. 
Einfach zu sagen, ist das, was wir jetzt hier tun, eigentlich wirklich der Sache dienlich? Oder verrennen wir uns hier gerade in bestimmte Fragestellungen rein? 
… und ich hatte auch tatsächlich mal eine Zeit lang, … … 
Wo ich mich in dem Thema auch habe coachen lassen, … … also wirklich so ist das, was du da tust. 

[8:42] Bringt das jetzt was? Oder haben wir jetzt im Moment auch jemanden, der uns darin unterstützt, der auch immer wieder sagt, warum machst du nicht einfach das, was beauftragt ist? Warum beschäftigst du dich mit so vielen anderen Dingen, die du da irgendwie noch drumherum machst? 
Und da muss man ja auch sagen, also Kelly O’Darling beschreibt ja jetzt quasi nicht nur unbedingt einen Entwicklungsstand oder eine Methode oder sonst was, sondern vielleicht ist es ja auch sowas wie, keine Ahnung, ich habe ein besonderes Faible für Projektmarketing und deshalb mache ich jede Woche einen halben Tag irgendwie eine Veranstaltung mit meinen Stakeholdern. 
Meinen Stakeholdern, weil das finde ich total super und da kann ich Häppchen bestellen und irgendwie abends gibt es auch noch was zu trinken, wo man einfach sagen muss, nee, das ist einfach nicht der Sache dienlich, also das ist eine Verhaltensweise, die zwar angenehm ist und die auch total nett ist, aber die bringt es halt einfach an der Stelle nicht. 
Keine Ahnung, mir fällt jetzt gerade kein anderes Beispiel ein, aber dieses so, ich habe bestimmte Verhaltensweisen, jeder kennt das, Dinge, wo du sagst, da fühle ich mich wohl und da mache ich vielleicht auch mehr drin und andere Sachen da fühle ich mich nicht so wohl drin, keine Ahnung, hier Finanzcontrolling oder sonst was und die mache ich dann halt eben nicht, weil stattdessen male ich lieber Folien für den Lenkungsausschuss. 

[9:50] Wo man dann einfach mal sagen muss, ja toll, dass dir das Spaß macht Folien zu malen, aber deine Aufgabe als Projektleitender ist halt auch das Budget im Griff zu behalten und da gilt dann halt auch, einfach kill your darling, hör mal auf das zu machen, worauf du jetzt Lust hast, sondern konzentriere dich auf das, was wirklich effektiv notwendig ist und das erfordert natürlich einfach eine ganze Menge Selbstdisziplin, da wirklich am Ball zu bleiben. 
Also das vielleicht noch so für die menschliche Ebene, bevor wir nochmal auf technische Aspekte dann noch kommen. 

Unternehmerisches Denken und notwendige Maßnahmen ergreifen

Fabian:
[10:20] Ne, ne, aber ich glaube, das bringt es sehr gut auf den Punkt, wenn ich das in meinen Worten übernehmen darf. 
Du sagst ja, das Gegenmittel, das Gegengift ist eigentlich unternehmerisches Denken und zwar auf der richtigen Ebene, oder? 
Ich weiss nicht, ob ich hier schon die Sprüche zu dem gebracht habe. 
Ich sage, unternehmerisches Denken ist für mich eben, du schaust jeden Tag die Welt mit neuen Augen an, oder? 
Und ja, du versuchst und du tust immer das, was notwendig ist, oder, um weiterzukommen. 
Das ist ja auch deine Aussage, oder? Also es gibt Situationen, da ist Finanzbauchhaltung das Wichtigste. 
Nicht nur im Moment, aber manchmal gibt es auch eine Phase, da musst du einfach, spätestens dann, wenn die Revision vorbeikommt, musst du das einfach wirklich sauberhaben oder es vielleicht etwas generell immer sauber haben solltest, aber um zurück auf das jetzt im kleinen. 
Also mach nicht nur das, was du affin bist, sagst du. 

Unternehmerisches Denken für einen größeren Zweck

[11:28] Aber ich glaube, das Gegenmittel ist effektiv auf der richtigen Ebene unternehmerisch denken und zu sagen, hey, ich bin ein bisschen einem grösseren Zweck orientiert und nicht nur gerade diesem, der jetzt unmittelbar vielleicht aus diesem Thema rauskommt. 
Ist natürlich ein bisschen schwieriger, wenn du selber der Unternehmer bist. 
Deshalb ist für mich das Paradebeispiel weiterhin, weil da hast du also da hast du dein Skin in the Game, manchmal auch dein ganzes Vermögen. 
Den Luxus haben wir hier als Unternehmensangestellte. 

Die Herausforderung der Leidenschaft und Liebe im Alter

Mel:
[12:06] Voll Casco Versicherte. 

Fabian:
[12:07] Ja genau, da haben wir eine Luxussituation. Insofern, so ist es nicht, aber nichtsdestotrotz kann es dir das down passieren, dass du da zu stark und etwas anhaftet. 
Ich finde das ein fantastisches Thema. 
Ich glaube, da lohnt es sich täglich darüber nachzudenken, weil das kann dir auch immer wieder neu passieren. Also ich glaube schon, dass du es trainieren kannst und du weniger in diese Fallen tappst, aber… 
Es gibt ja Leute, die verlieben sich noch mit 60 oder mit 70 oder mit 80. 
Ich hoffe, die begehen dann vor dem Mord. Ja, genau, keine Aufforderung zum Mord, aber ich weiss nicht, ob man je ganz gefeit davon ist, dann so wieder irgendwie zu viel Leidenschaft zu haben, oder? 
Ja, insofern ein gutes Thema auf der Aufmerksamkeitsseite, oder? 
Ich denke sogar, es gibt manchmal auch eben das Gegenteil. Das ist dann, wenn du gar keine Darlings mehr hast, ist es vielleicht auch nicht so gut, um motiviert zu arbeiten. 

Mel:
[13:12] Ich bin ja der Ehrenvorsitzende im Club der Menschen ohne Freunde. 
Der Club hat einen Mitglied. 

Geschichte: Der größte Darling, den ich getötet habe

[13:20] Ich wollte noch eine Geschichte erzählen und zwar von einem Moment, dem traue ich immer noch hinterher. 
Also quasi das größte Darling, das ich hier gekillt habe und normalerweise erzählen wir ja nicht, wo wir so Aufträge haben und sowas, aber an der Stelle muss ich es dann doch erzählen, damit man die Story versteht. 
Ich habe mal für die Deutsche Bahn im Bereich Public WLAN gearbeitet, also WLAN für Züge und sowas. 
Und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass dieses WLAN deutlich mehr Potenzial hat, als einfach nur den Leuten irgendwie Internet zur Verfügung zu stellen im Zug und insbesondere, weil es halt eben auch so semi gut funktioniert. 
Und wir hatten dann für die Innotrans, das ist die größte Messe für Eisenbahn, einen Case gemacht und komplett durchdesignt und gemockt und gemacht und getan, wo es darum geht, wie kann man quasi dieses WLAN monetarisieren. 
Und einer der Cases, die wir einfach hatten, war, du machst verschiedene Musikkanäle. 

Upselling-Ideen basierend auf Radio-Werbung

[14:20] Und weißt quasi auf Basis dessen, was die Leute irgendwie hören, was du irgendwie ihnen noch an Upselling anbieten könntest. 
Und hatten dann so Cases wie, keine Ahnung, es gibt einen Radiokanal, da laufen nur Musical Hits und wenn jemand das hört, dann ist der grundsätzlich wahrscheinlich auch offen dafür, irgendwie für Hamburg König der Löwen Tickets angeboten zu bekommen. 
Und wir hatten dafür sogar Udo Lindenberg als Commercial bekommen, kostenfrei. 
Der hatte dann so eingesprochen, so ja, ey, ihr seid jetzt quasi mit hier im Zug und das ist der Udo Lindenberg Kanal und ich gehe auf Tour und ihr könnt ja quasi Tickets kaufen und so weiter. 
Wir hatten einen Business Case, wo dann auch drin stand, also mit Share für die Bahn selbst, um die WLAN Kosten wieder rein zu bekommen mit GEMA Abdeckung und sonst was. 
Das war alles fertig. Das war wirklich ein geiler Case mit noch Filmen und allem möglichen anderen Zeug. Und dann sind wir auf Tour gegangen und quasi versucht jemand zu finden, der das haben wollte und wir haben keinen gefunden. 

Werbung im Zug – Verkehrsverbünde lehnen ab

[15:17] Also da muss man so ein bisschen verstehen, wie Eisenbahn funktioniert. 
Da gibt es dann diese Verkehrsverbünde, die bezahlen dann die Regio-Züge und das machen die mit Steuergeld. 
Und die haben dann einfach gesagt so, ja, finden wir total cool, dass ihr quasi den Steuersäckler entlasten würdet, aber solange das hier Zuschussgeschäft ist, wollen wir keine Werbung im Zug. 
Und ich war so, ja, aber das entlastet ja den Steuerzahler. 
Das ist ja geil für alle eigentlich. Und wenn sie es nicht nutzen wollen, müssen sie es nicht nutzen. Das ist ja nicht mal so aufdringlich, ich ein Plakat irgendwo hinhänge. Ja, nee, wir wollen das nicht. 
Und wir haben ein Dreivierteljahr versucht, jemanden zu finden in ganz Deutschland, der einen Zug durch die Gegend fahren lassen möchte mit so einem werbefinanzierten WLAN-Angebot. 
Wir haben keinen gefunden und haben gesagt, so und jetzt lassen wir das. 
So weh das getan hat und wie gesagt, eine geile Marketingkampagne da auf der Innotrans gab, wo wir einen Zug hingestellt haben. Udo Lindenberg, der aus den Lautsprechern da irgendwie zu den Leuten geredet hat. 
Der Case war voll da, selbst der Der Vorstandsvorsitzende der DB war da und hat sich das angeguckt. 
Wir haben es nicht an den Mann bekommen. Und dann musst du halt einfach sagen, so sorry, die Marketingaufwände und die Entwicklungsaufwände, die wir reingeschrieben haben, die musst du jetzt abschreiben. 
Aber ich bin immer noch davon überzeugt, dass die Idee geil gewesen wäre. 
Aber da musst du dann halt einfach wirklich irgendwann sagen in der Verantwortung, die du für so ein Produkt dann hast, der Markt nimmt es nicht an. 

Fabian:
[16:39] Ich glaube, das ist insofern wirklich ein super Beispiel, weil es eine echte Innovation war und da musst du ja dafür kämpfen und denken und du hast auch so ein starkes Ownership-Gefühl. 
Weil es hat wahrscheinlich wirklich noch nie jemand gemacht, und dann musst du es aber dann wieder loslassen. 

Lektion gelernt: Innovation loslassen und Feedback einholen

[17:02] Und ich meine, die Wahrscheinlichkeit für Innovationsprojekte, das Eintritt ist ja sehr, sehr hoch. 
Und ich glaube, wir haben jetzt nicht die Zeit, dass ich da auch noch so, ich hab da auch der große Katalix killen müssen, da ausführen kann, aber das passiert dann. 
Und das ist jetzt auch so ein Klassiker im Nachhinein zu sagen, ja, aber es ist eben wahr, es sind eben verdammt gute Erfahrungen, oder? 
Weil es passiert immer wieder, also es passiert im Kleinen, im Großen und eben manchmal bist du, fühlst dich mehr betroffen, manchmal weniger. 
Aber ich glaube, fähig zu sein, in diesen Prozess reinzugehen, ist schon ein Gewinn. 
Also sicher für einen selbst, aber ich glaube eben auch für die Auftraggeber, weil sie wissen, ja es gibt einen Moment, wo du verhandlungsfähig bleibst. 
Es geht ja eigentlich um das, oder? 

Mel:
[17:55] Ja und was ich jetzt für mich halt aus gerade dieser Nummer wirklich mitgenommen habe ist dieses, Da dann doch auch für meine Person Abstand mehr zu den Themen wiederzunehmen. 
Also das war auch wirklich was war so ein Herzensthema von mir. 
Ich wollte das unbedingt machen und ich habe da wirklich auch selbst sehr viel Energie reingesteckt in Konzeptarbeit und sowas, was ja eigentlich nicht meine Aufgabe ist. 
Man hat auch Teile meines privaten Netzwerks noch irgendwie akquiriert, dass wir das irgendwie hinbekommen haben. 
Und ich glaube, das würde ich in der Form im Moment nicht nochmal machen. 
Sondern dann würde ich irgendwie sagen, das kriegt man dann auch leichtgewichtiger hin, bevor man quasi so die ganz große Aktion macht. 
Und vielleicht muss man da ja auch nicht irgendwie gleich auf die größte Messe von allen gehen, sondern probiert es irgendwie erstmal im bilateralen Gespräch mit einem potenziellen Kunden. Hört sich da erstmal das Feedback an, bevor man da quasi die Werbetrommel rührt. 
Aber das ist dann einfach immer einfach das Gefecht, du bist so überzeugt davon und du bist natürlich auch in der Bubble drin. Alle um dich rum und alle, die da mitarbeiten, sagen, das ist total geil. 

Fabian:
[18:55] Die Echo-Kammer, oder? 

Mel:
[18:56] Genau, und alle sagen so, ich will das haben und das ist das nächste Big Thing. 
Und dann groundest du halt wirklich hart. Echo-Kammer ist ein echt guter Begriff. 
Man muss sich da wirklich gerade immer die Frage stellen, wird das hier gerade Self-Fulfilling-Prophecy? 
Prophecy, also erzählen wir uns gegenseitig gerade wie geil wir sind oder gibt es tatsächlich externe Tendenzen, die das bestätigen, dass das, was wir hier machen, gut ist? 
Und das war der Fehler an der Stelle, dass wir genau das nicht gemacht haben, sondern uns eben mit uns selbst beschäftigt haben und gesagt haben, nur weil wir Digital Natives das irgendwie cool fänden, wenn Udo Lindenberg uns im Zug was erzählt, heißt das noch lange nicht, dass, ohne den Leuten jetzt zu nahe treten zu wollen, die hatten wahrscheinlich recht mit ihrer Einschätzung. 
Aber da heißt das halt eben nicht, dass jemand, der bei einem Verkehrsverbund arbeitet, halt auch sagt, ja super, ich möchte, dass Udo Lindbergh meine Fahrgäste vollquatscht. 

Fabian:
[19:49] Ich bin jetzt kurz gemein, oder? Vielleicht ein Monat länger, oder vielleicht wären es auch drei, oder? Und dann hätte vielleicht doch einer zugesagt. Das ist ja das Gemeine bei Skin in the Game. 
Es könnte theoretisch sein, oder? Und dann wird es erfolgreich und auf einmal wollen doch alle. Weil solche Effekte gibt es ja auch, oder? 

Entscheidungen und Erfahrungen beim Gründen

[20:11] Aber deshalb habe ich es für mich auch sehr von Anfang auf die psychologische Ebene getan, weil es sind Entscheidungen, die du fällen darfst und musst, oder dauernd. 
Du musst diese Entscheidungen fällen. 
Bleibe ich jetzt dran, halte ich? Also manchmal kannst du natürlich nicht, weil einfach das Geld ist weg und so weiter, aber halte ich durch, versuche ich noch mal mehr und das ist genau die Kunst. 
Aber ich glaube schon, dass die Erfahrung an sich für solche Situationen hilft, das ist ja auch tatsächlich statistisch so, die meisten erfolgreichen Gründer, Unternehmer, die sind eher gegen Ende 30 und nicht im ersten Versuch. 
Nachher hast du dann die Energie nicht mehr. Es gibt sicher die Serial Entrepreneurs, die dann weiter… 
Kann auch im Projektgeschäft ein bisschen so sein. Ich weiss nicht, aber es würde mich sehr die Erfahrung der Hörer auch interessieren. 
Könnte auch im Projektgeschäft so ein bisschen sein, dass du ein, zwei Projekte mal auch erlebt haben musst, die nicht so erfolgreich waren, um vielleicht dann in einem gewissen Punkt Das richtig spüren zu können, richtig einschätzen zu können, ob du jetzt dranbleiben musst oder ob du dein Baby sterben lassen musst. 

Mel:
[21:27] Ich finde, das ist ja das perfide. Du weißt es ja am Ende nicht. 
Es ist ja immer wie diese viel zitierte Geschichte mit dem Tablet von Microsoft. 
Bist derjenige, der das innoviert, keiner kauft, so ein paar Jahre später kommt so eine Apfelfirma um die Ecke mit dem iPad und alle reißen dem das Ding aus der Hand. 
Oder jetzt in dem konkreten Fall war ich irgendwie ein paar Tage vor der InnoTrans, war ich auf einem anderen Kongress, wo die Metro in Moskau berichtete, dass sie pro Sitzplatz irgendwie einen Revenue von keine Ahnung was mit dem WLAN holen. 
Da muss man aber auch wissen, die ist irgendwie 20 Meilen unter dem Meer und da gibt es kein Handynetz da unten. 
Aber dann wo du einfach sagst so scheiße die machen das und die kriegen das hin und da ist irgendwie ein Case dahinter. 
Und du hast einfach immer dieses Thema du musst mit der richtigen Idee zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. 
Und dann funktioniert das und jemand der das halt einfach nicht ist und es reicht quasi wenn einer dir drei Dimensionen nicht stimmt dann funktioniert das einfach nicht. Und dann kann jemand mit einer geklauten Idee zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort sein und auf einmal funktioniert das und du fragst dich was hast du falsch gemacht. 

Die Unsicherheit und das Timing bei Geschäftsideen

Fabian:
[22:35] Im falschen Jahr geboren, manchmal ist es so. 

Mel:
[22:38] Ja genau, oder was auch immer, dem gegenüber hat die Nase nicht gepasst, was auch immer es dann halt eben in dem Fall ist, du kannst das nicht kontrollieren und deshalb habe ich aber auch da jetzt in dem konkreten Fall und auch sonst, dem muss man dann auch nicht mehr hinterher trauern. 
Und wenn jetzt irgendwie morgen jemand auf die Idee kommt und sagt, hey ich habe in dem Podcast eine geile Idee gehört und Udo Lindenberg singt jetzt im Zug. 

Fabian:
[23:00] Herzliche Gratulation. Ja, und dann finde ich es auch cool. 

Mel:
[23:03] Also ich bin da dann quasi auch so ein Stück weit fairer Verlierer und sage einfach, hey, ich glaube, das habe ich ja schon mal gesagt, mein Lieblingsfilm ist ja »Zurück in die Zukunft« wegen dieser Szene, wo Marty McFly bei seinen Eltern auf dem Abschlussball spielt und sagt, ihr seid noch nicht so weit, aber eure Kinder werden es lieben. 

Fabian:
[23:18] Aber das ist dann sogar die positive Variante, ich habe das ein bisschen so erlebt, ich habe ein Geschäftsmodell versucht aufzubauen, aus der grösseren Firma raus und dann hat das nicht geklappt, dass es überlebt, aber es wurde dann von Startups kopiert und die gibt es noch. 
Und das ist ein gutes Gefühl, es ist nicht ein schlechtes Gefühl, weil du weisst, ja, Umfeld war, also… 
Die Idee ist offensichtlich machbar und wir waren vielleicht zu früh oder aus dem falschen Kontext heraus. 
Dann gibt es auch Beispiele, wo es nicht klappt, aber das ist auch okay. 
Aber das ist genauso wie du sagst, es kann einfach in dem Moment, wo es nicht klappt, muss man manchmal wirklich im Selbstmanagement gut aufpassen und gezielt auch mal Distanz nehmen. Vor allem, wenn das zum ersten Mal so richtig passiert. 
Weil wir sind schlussendlich emotionelle Wesen, auch wenn wir es manchmal nicht wahrhaben wollen und dann muss man das vielleicht auch bewusst managen. 

Mel:
[24:27] Um vielleicht noch eine positive Geschichte zu erzählen, wo ich auch Kill Your Darling betrieben habe, war zum Glück nicht mein Darling. 
Deshalb hat es nicht ganz so weh getan, aber war quasi für die Abteilung sehr schmerzhaft. 
War tatsächlich eine Make-or-Buy-Entscheidung. Ich glaube, Make-or-Buy ist ein gutes Beispiel, wo Kill Your Darling relativ häufig passiert. 

[24:48] Wir hatten einfach da angefangen, an einer Applikation rumzuentwickeln und hat irgendwie nicht funktioniert. 
Aber wir waren davon überzeugt, wir kriegen das schon irgendwann hin und Entwicklung hat auch immer wieder beteuert. Ja, ja, morgen und nächste Woche ist es dann fertig und nächste Woche wird das dann funktionieren. 
Kunde war nicht zufrieden und so weiter. Dann habe ich dann irgendwann gesagt, wir kaufen das jetzt. Ende der Geschichte. 
Wir stellen alle Entwicklungen ein, es gibt fertige Marktlösungen und wir ziehen uns auf die Integratorenrolle zurück. 
Und das war richtig. Wir hätten das niemals in der Qualität, da bin ich felsenfest von überzeugt, in nützlicher Frist, in marktkonformer Qualität hätten wir das niemals hinbekommen. 
Wir hätten da noch Millionen reinversenken können in die Entwicklung und rumexperimentieren. 
Die Marktteilnehmer waren einfach Jahre voraus und mit Tendenz steigend. 
Also wir haben nicht mal irgendwie den Abstand zu anderen Marktteilnehmern verkürzen können. Und da habe ich dann irgendwann gesagt, wir suchen uns jetzt strategisch Partner und machen dann die Integrationrolle. 
Und das hat natürlich der Organisation nicht gefallen. Die hat gesagt, wieso? 
Wir wollen das doch entwickeln und das ist doch unser Anspruch hier. 
Und sowieso nicht überhaupt. 
Nee, wenn es Lösungen gibt, dann kaufen wir das, weil wir hatten schlichtweg die Kapazität nicht. 
Nicht. Das war in dem Fall das Hauptproblem. Wir konnten die Kapazität aus Gründen nicht steigern und dann muss ich auch rückblickend sagen, das hat sich als genau die richtige Entscheidung herausgestellt, weil das integrierte Produkt konnten wir dann x-fach verkaufen und hat funktioniert. 

Fabian:
[26:13] Ich bin da sicher. 
Du könntest zu grossen Unternehmen geben und sagen, ich habe ein Case für dich. 
Ich suche dir alle Entwicklungsprojekte, die nirgendhin führen und schieße die für dich ab. Du gibst mir Blankoscheck, dass ich das tun darf. Du sparst Millionen. 
Bin ich sicher, das ist ein neues Geschehen. Falls jemand von McKinsey oder PwC zuhört, ihr dürft diese Idee gerne umsetzen. Ja, gut. 

Mel:
[26:40] Dann sind wir auch hier schon wieder zeitlich ein ganzes Stück fortgeschritten. 
Hast du noch irgendwas? Willst du noch deine Geschichte erzählen, wo du mal deinen Darling gekillt hast? 

Fabian:
[26:50] Ja, ich habe es schon ein bisschen gehintet, aber ich glaube, wir werden noch genug Podcasts machen, dass das irgendwann mal vielleicht ein bisschen mehr Detail kommt und wie man hier in Bern sagt, dann ist dann wahrscheinlich auch genug Wasser die Aare runtergeflossen. 

Die Bedeutung von Selbstreflexion und kritischem Hinterfragen

Mel:
[27:06] Gut, dann danken wir euch für die Aufmerksamkeit, hoffen ihr konntet was mitnehmen, hoffen ihr Geht mal kritisch in euch und eure Projekte und überlegt mal, ob ihr da vielleicht nicht auch die eine oder andere Thematik habt, wo man sagt so, machen wir hier eigentlich wirklich das Richtige oder machen wir das nur, weil es sich gut anfühlt und weil wir das schon immer so gemacht haben. 
Wenn nicht, auch gut, dann passiert zumindest nichts Schlimmes. 
Ansonsten wünschen wir euch einen fantastischen Sommer. Wir hören uns in zwei Wochen wieder und bis dahin alles Gute. 

Fabian:
[27:35] Macht’s gut. Tschüß!